Historischer Roman II – Leseprobe – Yrrlanth Blatt 146
Pippa eröffnet Somythall eine unglaubliche Geschichte.
Pippa kämpft weiter mit den Tränen. Somythall weiß nicht, wie sie trösten könnte. Da beginnt aber Pippa mit einem tiefen, trockenen Seufzer leise zu sprechen – so als würde sie nur mit sich selbst sprechen.
„Von Anfang an war ich misstrauisch, weil alles so schnell gehen musste: zuerst die Zwangstaufe, Bischof Arnulf bestand darauf, dann die Übernahme der maroden Güter, dann die Prüfungen, die wir über uns ergehen lassen mussten, zuletzt die Hinrichtung der Brunichild, der wir zuschauen mussten, dann dieser Befehl, diese römische Villa dem Erdboden gleich zu machen, dann Pippins Abreise mit seinen Soldaten, die ihm der König anvertraut hatte, dann das bange Warten und schließlich…“ Doch da kann Pippa nicht mehr weiter sprechen, sie weint laut, schluchzt erbärmlich und fasst tränenüberströmt Somythalls Hände, die nicht aus noch ein weiß. Aber auch Somythall ist sprachlos, denn was sie da gerade gehört hat, versetzt ihr einen heftigen Schlag: von welcher römischen Villa ist da die Rede? Es gibt doch kaum noch welche, außer…Nein, es musste eine andere gewesen sein, nicht die Villa Marcellina, nein, denkt sie. Dann hört sie sich selbst leise antworten:
„Ist er nicht zurückgekommen? Ist er…?“
Pippa nickt nur und weint weiter. Für einen Augenblick stellt sich Somythall vor, wie sie sich fühlen würde, wenn sie Pippa hätte erzählen müssen, Rochwyn sei…So streichelt sie einfach behutsam Pippas Hände und sagt gar nichts. Nur das Flackern der Fackeln scheint unbeeindruckt vor sich hin zu fauchen, sonst nichts.
„Er war so voller Hass. Auch in Luxovium hatte er ein Blutbad unter den Mithras-Gläubigen angerichtet, aber in der Villa Marcellina hat er nun seinen Tod gefunden.“
„Und die Villa und ihre Bewohner?“ versucht Somythall so ruhig wie möglich zu fragen. Denn wenn sie jetzt erfahren würde, dass Julianus bei dem Angriff ums Leben gekommen sei, dann, dann. Sie wüsste nicht, wie sie reagieren würde.
„Die hatten wohl gewusst, dass Pippin sie überfallen wollte, sie waren gewappnet, sie hatten sogar einen Verteidungsring um die Villa errichtet, in dem fast alle Krieger des Königs so wie Pippin selbst ums Leben gekommen sind. So jedenfalls hat es einer der Überlebenden später vor dem König berichtet.“
Somythall fällt ein Stein vom Herzen. Sie ist stolz auf Julianus und die Villa-Leute. Sie haben dem fränkischen König erfolgreich widerstanden. Wunderbar. Pippa aber will sie nichts von diesen Gefühl verraten.
„Pippa, wenn ich es vermag, will ich dir helfen. Ich kann deinen Schmerz gut verstehen.“
Da umarmen sich die beiden jungen Frauen und werden unversehens Freundinnen. Doch das wissen sie da noch nicht.
Die Holztür öffnet sich quietschend, hereintritt Rut, die Amme. Als sie die beiden Frauen sieht, will sie gleich umdrehen, doch Somythall sagt nur: „Bleib!“ Somythall geht gerade ein kühner Plan durch den Kopf.