15 Jan

Historischer Roman II – YRRLANTH Blatt 147 – Leseprobe

Der fränkische König setzt auf die falschen Freunde. (Teil 1)

Der Hofmeister des Königs, Ernólfod, steht stolz im Wartesaal vor den Gemächern des Königs. Er ist sehr gut gelaunt. Sein Widersacher, Bischof Arnulf, schläft hoffentlich noch. Gestern erst hatte ihm die Sybille in den Katakomben geweissagt, die Sterne stünden zur Stunde recht gut für ihn, er solle schnell handeln, bevor die Konstellation vorüber sei. Gerwyn, des Königs Wächter, winkt ihm jetzt:

„Der König wünscht euch zu sprechen!“

Mit einem breiten Grinsen betritt er des Königs Schreibkammer, wo Chlotar

ans Schreibpult gelehnt gelangweilt wartet.

„Mein lieber Hofmeister,“ beginnt er launisch zu säuseln, „wir beide haben gerade wohl eine Glückssträhne – oder?“

Ernólfod schreckt zusammen. Woher weiß der König, dass ich bei der Sybille war? Will er mir eine Falle stellen oder hat schon wieder dieser Arnulf seine Hände im Spiel?

„Ich habe große Pläne. Und ich rechne auf deine Gefolgschaft.“

Bevor Ernólfod voller innerer Genugtuung antworten kann, öffnet Gerwyn erneut die dicke Holztür der königlichen Schreibkammer:

„Nun, was gibt es denn?“ fragt Chlotar, den erstaunten spielend.

„Euer Truchseß, mein König, bittet um euer Gehör.“

„So, so.“ Der König tut so, als ringe er mit einer schwierigen Entscheidung, und Ernólfod versteht die Störung überhaupt nicht. Gerwyn wartet geduldig auf ein Zeichen von Chlotar. Der spielt mit den goldenen Ringen an seinen Fingern. Dann nickt er bloß. Und schon winkt Gerwyn Wilfrid, den Truchseß, herein. Zumindest ist das auch kein Freund des Bischofs, geht es Ernólfod durch den Kopf.

„Setzt euch doch!“ Der König bietet ihnen die beiden Schemel mit einer gönnerischen Geste an sich zu setzen. Er räuspert sich, spielt weiter mit den Ringen. Truchseß und Ernólfod wechseln verstohlene Blicke. Was geht hier vor? Sind wir in Gefahr?

„Nun, als meine engsten Gefolgsleute hier am Königshof, will ich euch gleich reinen Wein einschenken. Sicher habt auch ihr gehört, dass ein gewisser Duc Rochwyn mit seinen Leuten samt Frau und Kind und Amme in Lutetia eingetroffen ist. Seine Vorfahren stammen zwar aus Yrrlanth, aber sein Vater – Händler aus Arelate – hatte enge Beziehungen auch zur Villa Marcellina…“ Hier bricht der König ab, schaut, wie seine Eröffnung auf die beiden wirkt, und schweigt dann bedeutsam nickend.

Wilfrid, der Truchseß, räuspert sich verlegen, Ernólfod, der Hofmeister, tut es ihm gleich.

„Gut, gut. Jedenfalls wäre es schön, wenn ihr ihn dorthin begleiten würdet, weil mir die Villa doch sehr am Herzen liegt, wie ihr wisst.“

Seine Gefolgsleute werden blass vor Schreck: Was meint er damit? Hatte er nicht diesen Pippin dorthin geschickt, die Villa einzuäschern? War der Plan nicht grandios gescheitert?

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