Leseprobe zu den Fabeln von den sieben Freunden – Die kleine Fee träumt und träumt
Die kleine Fee träumt und träumt…
Waren sie eben nicht erst in der großen Oase gewesen, wo Gombral das Fliegen gelernt hatte? War Sindalf nicht eben erst los geflogen, um Gombral zu suchen? Oder war es gestern erst gewesen, dass sie den Mann im Mond besucht hatten? Nein, gestern waren sie bereits wieder zum Rückflug zur Erde gestartet, wären beinahe im All verloren gegangen, wenn der Mann im Mond ihr und ihren Freunden nicht so mutig geholfen hätte.
Aber jetzt, wo waren sie jetzt gestrandet? Alitot in seiner Weltraummontur ganz aus Glas schwankt hin und her, Blinker zappelt und zappelt auf der Stelle, als wäre Gefahr im Verzuge und Tebelchen schaut verängstigt zur ihr herüber, als wollte sie sagen: Werden wir jemals wieder festen Boden unter den Füßen haben?
Der kleinen Fee kommt das alles wie ein nur schwer deutbarer Traum vor. Halb himmelsstürmend, halb Höllenfahrt – jedenfalls atemberaubend schön und schaurig zugleich.
„Kleine Fee!“ hört sie da Gombral grummeln, „sind wir hier richtig oder hat sich unser Mann im Mond verflogen mit uns?“
Wenn ich das nur selbst wüsste, geht es der kleinen Fee durch den Kopf. Die anderen Freunde schauen neugierig zu ihr hin; sie alle hängen an ihren Lippen, sie wollen natürlich etwas hören, das ihre Angst vertreibt. Denn Angst hatten und haben sie im Moment alle.
Als würde sich plötzlich das gesamte Weltall um sie drehen; sie scheint unter ihren Füßen nichts mehr zu spüren: Wir fallen, wir stürzen, schreit es durch sie hindurch. Und als sie erschrocken ausatmet, beschlägt das Glas ihres Helms so sehr, dass sie die ängstlich fragenden Augen der lieben Freunde gar nicht mehr richtig sehen kann. Gut so, redet sie sich schnell ein, sonst würden mir sicher gleich Tränen kommen. So atmet sie kräftig wieder ein und sagt dann, um die eigene Angst zu verjagen, mit fester Stimme:
„Natürlich sind völlig richtig – nur noch dieser kleine Zwischenstopp, dann ist die Erde gar nicht mehr weit. Glaubt mir!“
Doch so richtig überzeugend klingt es nicht, finden ihre Freunde. Aber sie versuchen zu lächeln. Das hilft ein bisschen, wenigstens.
Jetzt sehen sie auch den Mann im Mond, wie er winkt, wie er lachend winkt. Sie sollen nur kommen. Mürnli, mein kleinmütiger Igel, schüttelt nur mit dem Kopf, ihm stehen immer noch die Stacheln zu Berge – sie kratzen schrill innen an seinem Glasweltraumanzug lang – „Das Weltall wird uns alle verschlucken, alle“, brummt er in einem fort. Aber seine Freunde wollen solche Töne gar nicht erst hören. So rufen sie wild durcheinander und gegen das Brummen von Mürnli über ihre Sprechanlagen: „Er winkt! Wir sollen kommen! Also los, los – vielleicht gibt es wieder so eine tolle Überraschungen wie nach der Mondlandung!“
Der violette Stahl – oder ist es ein Steinkörper – glänzt in Morgensonnenlicht wunderbar mild, als wäre er aus Samt und Seide – oder ist es ein Eisplanet? Solche und ähnliche Gedanken stürzen den Freunde und der kleine Fee durch die Köpfe, als sie jetzt dem Mann im Mond, der immer noch lachend winkt, entgegen schweben. Gombral, unser lieber guter Dinofant, macht dabei die weitesten Luftsprünge durch den luftleeren Raum. Als wolle er wie ein Raumschiff wieder ins All starten, so sieht es für einen Augenblick aus. Dann kommt er schwankend wieder auf die violett glänzende Oberfläche des kleinen Himmelskörpers zurück, titscht wie ein Tischtennisball aber gleich wieder hoch und wieder zurück. Sindalf, der Falke, der vom Fliegen nur träumen darf zur Zeit, scheint am Rücken des Dinofanten mit seinem kleinen Glasflugkörper fest zu kleben. Wenn er schon nicht fliegen kann, dann wenigstens mit Gombral hüpfen…
Das finden Alitot, Blinker, Tebelchen und Weichzottel so lustig, dass sie kichernd und gigelnd fast über einander purzeln. Das ist aber auch zu komisch, finden sie. Da muss auch die kleine Fee lachen. Es wird schon alles gut gehen. Sie sollten einfach dem Mann im Mond vertrauen. Er hat sie doch noch in keiner gefährlichen Situation im Stich gelassen.