Historischer Roman II – Leseprobe – YRRLANTH Blatt 168
Chlotar, der König der Franken, verliert nicht nur seine Favoritin.
Am liebsten würde er persönlich den Boten dieser schlechten Nachrichten erwürgen, aber der König reißt sich zusammen, rennt wie ein eingesperrter Bär im Käfig wütend hin und her. Bordov, seinen treuesten Gefolgsmann, wird er noch brauchen, also Ruhe bewahren.
„Der Römer vergiftet? Vergiftet? Von wem?“
Chlotar spielt den Empörten. Insgeheim freut er sich, dass sein Plan aufgegangen ist. Auf seine schöne Aemihilth ist eben einfach Verlass.
„Das will der Sohn dieses alten Römers Marcellus, Julianus, wohl noch heraus bekommen. Allein, ich muss dir noch eine weitere schlimme Nachricht überbringen, beginnt nach einer Pause Bordov erneut mit seinem Bericht aus der Villa Marcellina.
„Nun?“
„Aemihilth, deine Favoritin, ist ebenfalls tot.“
Der König erstarrt in seiner Bewegung, hält die Luft an, glotzt ins Leere. Er findet sich richtig gut, wie er den Schockierten spielt, richtig gut.
„Nein, nein, nein….“ flüstert er dann fast lautlos, „nein!“
Bordov ist unschlüssig: Soll er gehen, soll er versuchen, den Tröster zu spielen, soll er komplizenhaft zwinkern? Er weiß es nicht. Doch da erlöst ihn der König aus seiner Ratlosigkeit.
„Lasst meine Leute eine Woche lang in schwarz herum laufen und gebt die Losung heraus: Der König ist in großer Trauer um seine treue Dienerin Aemihilth. Ich will niemanden empfangen. Niemanden.“
Bordov verneigt sich gehorsam. Er bewundert die Klugheit seines jungen Königs. Aber leider muss er noch eine dritte schlechte Nachricht los werden:
„Mein König“, beginnt er zögernd, „da ist noch etwas, was ich euch sagen muss….“
Chlotar tut zuerst so, als habe er gar nicht gehört, was Bordov noch vorzubringen hat. Dann bleibt er erneut – wie in wichtiges Nachdenken versunken – stehen, schaut dann auf und fragt eher beiläufig:
„War noch was, Bardov?“
Bardov holt tief Luft und beginnt dann so, als wolle er seinem König eine kleine Geschichte zum Aufheitern vortragen:
„Tja, da ist noch dieser Junge, dieser römische; Julianus heißt er wohl oder so ähnlich, der hat sie – ohne Zeremonie – einfach so verscharren lassen und angekündigt, er wolle der „Sache“ nach gehen. Ja, genauso hat er es wohl formuliert: „Er wolle der Sache nachgehen.“
Die beiden schauen sich für einen Augenblick flüchtig an, dann beginnt der König leise zu kichern und je länger er das tut, schließt sich auch sein treuer Gefolgsmann an mit zu kichern. Schließlich verebbt das kleine Theaterstück, als hätte es gar nicht stattgefunden.
„Ich denke, wir haben noch eine Menge zu erledigen, wir beide – oder?“
fragt dann völlig unvermittelt Chlotar seinen Gefolgsmann. Bordov nickt vielsagend, verbeugt sich erneut tief vor seinem König und sucht langsam das Weite.
Kaum hat er den Raum verlassen, muss er sich an der Holzwand abstützen. Ihm ist ziemlich schwindlig.Soll das bedeuten, dass er mal wieder die Drecksarbeit erledigen soll, dass er den jungen Römer aus dem Weg räumen muss?
Bordov spürt, wie ein völlig neues Gefühl in ihm hoch kriecht. Langsam, sehr langsam. Ist dieser Auftrag vielleicht jetzt doch einer zu viel? Erschrocken blickt sich Bordov um. Hat ihn jemand beobachtet, hat er etwa seinen Gedanken gerade versehentlich laut ausgesprochen, hat ihn jemand belauscht? Weiß es der König vielleicht bereits? Muss er um sein eigenes Leben fürchten?