Leseprobe – Historischer Roman II Blatt # 110
Der getaufte Schlächter von Albträumen geplagt.
Schweißgebadet reißt es ihn aus dem Schlaf. Fratzen hingen ihm ins Gesicht, grässliches Kichern tropfte ihnen aus den zahnlosen Mäulern. Glitschige Knöchel griffen nach seinem Hals, der Gestank war unausstehlich. Er musste sich dabei zusehen, wie er erbärmlich erstickte. Gehängte lachten ihn höhnisch aus.
„Gräääh…!“ Ein gurgelnder Ton steckt ihm in der Kehle fest. Das Bärenfell drückt ihn nieder. Er stößt es zornig von sich. Wieder versucht er zu rufen. Tonlos. Endlich öffnet sich die Tür zu seinem düsteren und kalten Schlafraum. Sie haben es also doch gehört.
„Holt mir den Bischof, sofort!“ zischt er den verstörten Mann an. Der fährt herum und stolpert aus dem dunklen Gemach nach draußen. Kaum hat Chlotar die Augen geschlossen, da sind sie wieder da. Jetzt zwar unscharf und verzerrt, aber dafür sind es mehr geworden. Sie grölen. Tanzen, hopsen, kreischen. Er reißt die Augen auf. Er wälzt sich von seinem Lager, rappelt sich hoch, zieht sich das schwere Bärenfell um den zitternden Leib. Wo bleibt der denn? Ich darf ihm nicht zeigen, wie ich mich fühle. Es würde ihn freuen. Dieser Mistkerl von Bischof. Der neue Gott soll jetzt mal zeigen, was er kann.
Da hört er im Vorraum Schritte, Geflüster.
„Wo bleibt er denn?“ schreit er wütend los.
Na endlich! Da kommt er ja. Arnulf. Er wirkt unsicher, fahrig. Er hat wohl Angst, denkt der König. Gut so. Soll er auch. Er atmet tief ein, streckt sich, setzt eine wild entschlossene Miene auf und faucht Arnulf an:
„Hast du nicht gesagt, unser neuer Gott könne uns auch unsere Träume deuten?“
Der Bischof versteht nicht, was die Frage soll. Ist das eine Falle?
„Er ist allmächtig, er ist…“ Der König unterbricht den Bischof schroff:
„Ja, ja. Ich kann es nicht mehr hören. Unsere alten Götter sind genauso mächtig. Oder? Aber, was ist mit den Träumen? Schickt er sie uns oder ist es Teufelswerk?“
Arnulf zögert mit der Antwort. Er weiß einfach nicht, wo das hinführen soll. Hat der König schlecht geträumt?
„Herr, Christus ist unser Retter. In jeder Not.“
Chlotar tobt innerlich. Das tut ihm gut, denn es vertreibt die üblen Bilder der Nacht. Zugleich wird ihm klar, dass der Bischof Angst vor ihm hat. Das tut ihm so richtig gut. Jetzt gelingt ihm sogar schon wieder ein Grinsen.
„Geh jetzt wieder. Später können wir das Gespräch fortsetzen. Deine Antworten stellen mich nicht zufrieden. Denk darüber nach, Arnulf!“
Mit einer kleinen Geste gibt er dem Bischof zu verstehen zu gehen. Der verbeugt sich unsicher und huscht hinaus.
Wieder allein mit seinen schlimmen Bildern der Nacht weiß der König nicht, wem er sich anvertrauen könnte. Dem Bischof jedenfalls nicht.