YRRLANTH – ROMAN – Leseprobe Blatt 88
Pippa und Pippin wolllen es wissen
Während der Bischof sich von seinen zwei Nymphen weiter verwöhnen lässt, treffen sich Pippa und Pippin völlig verfroren und durchnässt ganz in der Nähe am ehemaligen Eingang zum Amphitheater. Pippin will ihr heute alles gestehen, will sie aber auch besitzen. Wie soll er das nur anstellen? Als sie im Dunkeln nun wortlos voreinander stehen, möchte er sie gleich umarmen, sie küssen. Sie aber nimmt kurz entschlossen seinen Arm und läuft los, als könnte sie es gar nicht erwarten, seine Körperwärme endlich wieder zu spüren. Wo läuft sie denn hin, fragt sich Pippin enttäuscht.
„Hey, wir müssen da den Gang lang, den kenn ich genau“, flüstert er ihr zu. Sie schüttelt nur den Kopf und läuft wild entschlossen weiter. Das verblüfft ihn noch mehr. Woher kennt sie dieses Gewirr von unterirdischen Gängen? Und warum grinst sie so? Was hat sie vor? Er hat sich doch für heute hier die Nische ausgesucht, wo sie sich lustvoll vergnügen können – ungestört und von den warmen Dämpfen des warmen Wassers verwöhnt. Er kann kaum Schritt halten, so forsch läuft sie durch die düsteren Gänge und Gewölbe. Manchmal sehen sie in der Ferne ein Licht flackern, hören von weit her ein Lachen, aber Pippa stürmt weiter. Dann bleibt sie abrupt stehen. Ihr Atem geht schnell. Mit einer Hand gibt sie Pippin zu verstehen, still zu sein. Jetzt wird ihm auch klar, was sich verändert hat: Ein starker Kräuterduft liegt in der Luft. Wo führt sie ihn denn nur hin? Langsam macht sie die nächsten Schritte, Pippin stolpert völlig verwirrt hinter ihr her. Wo wird das enden?
Da öffnet sich vor ihnen der niedrige Gang in einen kleinen Kuppelraum. Lichter, kleine Öllämpchen vielleicht, scheinen in Vertiefungen im Mauerwerk zu glimmen, irgendein Ton schwirrt durch den leeren Raum. Fledermäuse huschen oben im Gewölbe hin und her. Pippa verneigt sich leicht, aber vor wem? Pippin beugt sich vorsichtig vor, um an ihrer Schulter vorbei zu schauen. Dann sieht er sie auch. Schmutzige Strähnen hängen ihr ins Gesicht, der uralten Frau, die aus kleinen Augen ihnen entgegen starrt. Mit einem Finger der linken Hand winkt sie den beiden näher zu kommen. Irgendetwas scheint sie zu summen. Dabei wiegt sie sich mit ihrem Körper langsam vor und zurück.
„Sie ist die Tochter eines Druiden, der schon lange vor ihr Hilfesuchende hier beraten hat“, sagt Pippa leise. „Sie ist sehr bekannt im Königreich und auch darüber hinaus. Wusstest du das nicht?“
Pippin schüttelt nur den Kopf. Was sollen sie denn bei so einer jetzt? Er wüsste die Zeit wirklich lustiger zu verbringen, als sich weise Sprüche anzuhören, denkt er trotzig. Das ganze gefällt ihm nicht. Er wollte bestimmen, was sie im Amphitheater machen. Jetzt soll er einer uralten Frau zuhören. Wut kocht in ihm hoch. Bilder vom Gemetzel im Mithras-Keller kommen ihm dazwischen, höhnisches Gelächter des Bischofs mischt sich darunter. Am liebsten würde er einfach nur davon laufen. Stattdessen geht er jetzt wie Pippa vor ihm in die Knie, verneigt sich sogar vor der Alten und staunt über das, was diese hässliche, fremde Alte nun zu ihnen spricht.