09 Apr

Leseprobe – Historischer Roman II Blatt # 109

Somythalls Träume

Während in Lutetia Pippa und Pippin Zeugen eines bestialischen Geschehens sein müssen, hat Duc Rochwyn Somythall längst wieder nach Luxovium zurückbringen lassen. Ihre Amme, Bruniguld, wird von den frommen Frauen gepflegt. Sie ist außer Lebensgefahr. Somythall lässt sich wieder in der feucht warmen Luft der alten Therme in ihre Tagträume treiben. Insgeheim wünscht sie sich, dass die alte Burgunderin, Brunichild,doch auch Atawima anbeten möge, wie sie. Eigenartig, denkt sie, warum muss ich jetzt gerade an sie denken. Später, wenn sie hört, was in Lutetia geschah, als sie im warmen Wasser an die Burgunderin denken musste, ist sie sich ganz sicher, dass sie Schwestern sind, dass sie die gleiche Botschaft weiter geben wollen. Dann rutscht sie in den Schlaf, weich gebetet auf einer hölzernen Liege. Und bald wandert sie in einem dämmrigen Traum in einen lichten Wald. Eichen und Buchen stehen friedlich und stumm beieinander. Sie tuscheln leise. Denn in einer kleinen Laubhütte beherbergen sie gerade ein stolzes Paar. Sie sind fast schon ein ganzes Jahr hier allein in diesem endlosen Wald. Sie mussten fliehen, denn ihre heimliche Liebe war entdeckt worden. Jetzt gerade schaut sie selig auf sein schlafendes Gesicht. Der Geliebte träumt und träumt. Sein langes, blondes Haar hat sich zu beiden Seiten seines Gesichts hingewellt wie ein goldenes Vlies. Mit der Macht all ihrer liebenden Gefühle überschüttet sie ihn in einem fort. Hier müssen sie keine Angst um sich und ihre Liebe haben. Hier sind sie zwar alleine, aber frei. Somythall spricht sie an:

„Sag mir, Liebe, wer seid ihr und warum weilt ihr hier? Kennen wir uns nicht?“

Da dreht sich die Liebende erstaunt um, nickt und bewegt dann ihre Lippen, aber Somythall kann sie nicht hören. „Bitte, sprich etwas lauter, bitte!“ fleht sie die Fremde neben dem schlafenden Mann an. Jetzt sieht sie auch, dass ein wehmütiger Zug auf seinem Gesicht ruht. Träumt er gerade einen traurigen Traum? Ein paar Sonnenstrahlen finden sogar den Weg herunter bis in die kleine Hütte. Lichtflecke zittern auf ihren Gesichtern. Da weiß Somythall, dass sie die beiden nicht stören soll. Sie zieht sich vorsichtig zurück, winkt. Mit einem glücklichen Lächeln im Gesicht winkt auch die fremde Frau ihr zurück. Der Wald. Der Wald. Wie komme ich hier wieder heraus? Somythall lehnt sich erschöpft an einen moosbewachsenen Stamm. Vor ihr eine Lichtung. Aber was ist mit der Sonne geschehen? Sie scheint nicht mehr. Eher wirkt das Licht wie Mondlicht, fahl, kalt, fremd. Und da kommt eine Frauengestalt, tritt in den matten Schein. Sie geht gebeugt, ein langer Umhang schützt ihren Leib, ihre schütteren Haare fallen über ihr Gesicht, dennoch glaubt Somythall jetzt erkennen zu können, wer es ist. Die Burgunderin. Jetzt winkt sie ihr müde zu. Was will sie sagen? Mit Herzschmerz wacht Somythall unversehens auf, Herzklopfen. Tränen laufen ihr über die Wangen. Was war das? „Ich muss es Bruniguld erzählen.“

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