Yrrlanth – Historischer Roman II – Blatt 141 – Leseprobe
Abt Ambrosius und das rote Martyrium Teil II
Es sind viele, die da mit ihren langen Speeren zwischen den alten Buchen angerannt kommen. Rochwyn und seine Leute aber rühren sich nicht. Sie warten gehorsam auf ein Zeichen des Ducs. Ganz anders dagegen Ambrosius und seine Mitbrüder.
„Kommt, meine lieben Brüder, bringen wir ihnen unser heiliges Buch und das Kreuz unseres Herrn Jesus Christus, des Allherrschers! Wir bitten dich, erhöre uns!“ ruft der Abt ergriffen und laut. Es scheint keine Furcht in ihm zu sein. Oder doch? Als sie jetzt forsch dem Baumgott entgegen gehen, halten Somythall, Sumil, David und Ruth, die Amme, erschrocken die Luft an. Sie spüren förmlich die Gefahr, die sich gerade über die große Lichtung herabzusenken scheint.
Die Krieger stehen ihnen jetzt stumm gegenüber, als die Mönche näherkommen. Abt Ambrosius hebt mit der einen Hand das dünne hölzerne Kreuz hoch und mit der anderen die handgeschriebene Bibel.
„Seid willkommen, Brüder, wir bringen euch frohe Botschaft!“ schreit er überlaut in Latein in die beklemmende Stille hinein. Als die sich nicht rühren, sondern weiter nur feindlich und kampfbereit dastehen, geht Ambrosius wild entschlossen weiter bis zum hohen Baumgottbaum und schlägt mit seinem Kreuzlein gegen einen der nach oben ausgestreckten Astarme des Baumgottes. Erschrocken weichen die Krieger einen Schritt zurück, Entsetzenslaute sind zu hören. Rochwyn schüttelt nur mit dem Kopf, als er sieht, was Ambrosius gerade tut.
„Was für ein Dummkopf!“ zischt er entrüstet. Als der Abt jetzt sogar erneut mit seinem Holzkreuz auf den Ast einschlägt, geschieht das, was wohl alle befürchtet hatten: Der Arm des Baumgottes zersplittert und bricht ab.
Ein tiefes, ächzendes Stöhnen entfährt den Kriegern. Dann aber wird ein fürchterlicher Kriegsschrei daraus und viele Speere zischen durch die Luft und durchbohren die stöhnend zu Boden gehenden Mönche. Noch im Sterben – der Abt sackt dabei langsam in sich zusammen – ruft er immer wieder in Latein: „Herr, mein Herr, Christus, komme über sie und strafe sie für diese Untat!“
Jetzt greifen die Krieger, die wie Wutgötter rächend über den getroffenen Mönchen stehen, ihre Kurzschwerter und beenden das Sterben mit vielen Hieben und Stichen. Blut breitet sich wie ein roter Teppich um sie herum aus. Und eine fast schmerzende Stille.
Rochwyn und seine Leute rühren sich nicht. Aber sie sind bereit. Sie werden sich nicht wie diese dummen Mönche einfach abschlachten lassen, sie werden kämpfen. Duc, gib das Zeichen, wir sind bereit!
Der aber gibt das Zeichen nicht. Er wartet, atmet tief aus und ein und wartet. Auch Somythall schaut erwartungsvoll und sprachlos zu ihm hin: Rochwyn, warum tust du nichts? Wir werden alle sterben – hier, denkt sie zitternd und drückt ihr Töchterchen Sumil fest an ihre Brust.